Geschichte
Obernai: Kurzer geschichtlicher Überblick
Der Ort „Ehenheim“, ehemals an einer Römerstraßen-Kreuzung gelegen und später merowingischer Herrschersitz, wird im Jahr 778 erstmals erwähnt und 1242 in Oberehnheim umbenannt, um den Ort von Niederehnheim (Niedernai) abzugrenzen.
Man geht davon aus, dass die Stadt zunächst Eigentum der elsässischen Herzöge war und später den Abteien Hohenburg (dem heutigen Mont Sainte-Odile bzw. Odilienberg) und Niedermünster gehörte, die beide von der heiligen Odilia und ihrem Vater gegründet worden waren.
Freie Reichsstadt Obernai
Gegen 1240 macht sich Obernai von der klösterlichen Vormundschaft frei und erlangt mit der Unterstützung der Staufer den Stadtstatus. Jetzt kann man Befestigungsanlagen errichten, eine eigene Gerichts- und Finanzverwaltung etablieren, Markt halten und Jahrmärkte veranstalten. 1354 schließt sich Obernai mit den neun anderen freien Reichsstädten des Elsass (Weißenburg/Wissembourg, Hagenau/Haguenau, Rosheim, Schlettstadt/Sélestat, Kaisersberg/Kaysersberg, Colmar, Türkheim/Turckheim, Münster/Munster und Mülhausen/Mulhouse) zusammen, um den Zehnstädtebund zu gründen. Es wird eine Stadtverwaltung eingerichtet, die zwei Prioritäten verfolgt: die Stadt der Befehlsgewalt des Vogts (des Delegierten des Kaisers) zu entziehen und den zahlreichen Adligen der Stadt ihren Einfluss zu nehmen.
Im 16. Jahrhundert erlebt Obernai ein goldenes Zeitalter. Handwerk, Weinbau und -export prosperieren. Die Architektur der Renaissance zeigt sich bis heute am Rathaus (erbaut 1523 und 1610), am Kornhaus (1554), am Kapellturm und am Sechs-Eimer-Brunnen (1579). Als in den Jahren 1618-1648 der Dreißigjährige Krieg in der Region wütet, wird die Stadt belagert und ausgepresst.
Königsstadt Obernai
Nach Abschluss des Westfälischen Friedens (1648) annektiert Ludwig XIV. die Städte des Zehnstädtebunds, und sie fallen 1679 an die Krone Frankreichs. Obernai wird Königsstadt und verliert seine Unabhängigkeit. Im 18. Jahrhundert erlebt die Stadt eine erneute Blütezeit. Obernai hat zu dieser Zeit 5000 Einwohner und zählt 306 Handwerksmeister in 35 verschiedenen Berufen. Nach der Französischen Revolution vermischt sich die Geschichte von Obernai mit der des Elsass. Im Laufe des 19. Jahrhunderts vollziehen sich entscheidende Veränderungen im Stadtbild: Die Tore der Stadt werden eingerissen, man baut Straßen und Eisenbahnstrecken. 1871 wird Obernai von Deutschland annektiert. Die Wende zum 20. Jahrhundert ist von einer erneuten Modernisierungswelle gekennzeichnet.
Im Zweiten Weltkrieg blieb die Stadt von Zerstörungen verschont, und trotz der Zwangseinberufungen (und des damit einhergehenden Verlusts an Arbeitskräften), an die das Denkmal auf dem Mont National erinnert, erlebt Obernai mit Beginn der 1960er Jahre einen wirtschaftlichen und touristischen Aufschwung. Die Bevölkerung verdoppelt sich innerhalb von 20 Jahren, und Obernai bietet vielen Menschen einen Arbeitsplatz.
Die Obernaier Tracht
In Obernai werden nicht der traditionelle rote Rock und die schwarze Haube getragen, sondern eine Tracht, die den Kleidern von Königin Marie-Antoinette ähnelt, die sich anlässlich von Bauernfesten auf Versailles wie eine Hirtin kleidete.
Die Baronin von Oberkirch, eine enge Vertraute der Königin, brachte diese Tracht zu den Bürgersfrauen und adligen Damen. Der pastellfarbene, geblümte Rock ist aus schimmernder Seide. Das dreieckige Schultertuch und die anmutig wirkende Schürze bestehen aus Valencienne-Spitze oder aus feinem, besticktem Leinen. Das Casaquin aus Samt ist am Dekolleté und an den Ärmeln mit weißer, gekräuselter Spitze verziert.